Zwei Wollen Meer

Unsere Reise durch den Pazifik

Die Austral-Inseln

Im Süden Französisch-Polynesiens

Urlaub vom Urlaub - Teil 5 - Rimatara

Papara, Tahiti, 11.12.2021

Die letzte Station unserer Australs-Tour führt uns auf die kleine Insel Rimatara, welche nahezu kreisrund ist und einen Durchmesser von etwas mehr als 3km hat. Erst seit 2006 gibt es hier einen Flughafen, vorher war Rimatara noch weniger auf dem touristischen Radar als jetzt. Immerhin gibt es seit drei Wochen einen Geldautomaten auf der Insel.

Am Flughafen müssen die ankommenden Passagiere alle Blumenketten in ein Feuer werfen und durch den Rauch laufen. Tradition einerseits und Schutz der heimischen Natur andererseits sind der Hintergrund. In der Flughafenhalle hält der Bürgermeister eine Rede, bei der er um Einhaltung der Coronaregeln bittet und darauf hinweist, dass die neue Corona-Variante bereits in Frankreich angekommen ist.

Wir wohnen in einer der beiden Pension der Insel, da unsere tahitianische Gastfamilie hier keine Verwandtschaft hat. Dennoch kennt der Gastgeber Kenji die ganze Familie, da er auf Tahiti zur Schule gegangen ist und mit Herenui, ihren Geschwistern und Eltern im gleichen Haus gewohnt hat. Französisch Polynesien ist eben doch ein „Dorf“. Dies soll uns auf Rimatara noch mehrfach deutlich werden.

Nach dem Tod seiner Mutter hat Kenji die Pension „Perruche Rouge“, benannt nach dem endimischen Vogel der Insel, mit seiner Frau Brenda übernommen. Er hat japanische, sie irische Vorfahren. Landwirtschaft ist ein weiteres Standbein der Familie, sie bauen für den Eigenbedarf und den Export nach Tahiti Taro und Kokosnüsse für Copra an. Das Grundstück gehört nach wie vor Kenjis Vorfahren, auch wenn sie schon längst verstorben sind. Auf Rimatara kann man folglich kein Grundstück erwerben, sondern es bleibt immer im Familienbesitz. Möchte ein Familienmitglied ein Haus auf dem Grundstück errichten, müssen alle anderen Familienangehörigen schriftlich zustimmen. Menschen von außerhalb Rimataras wohnen daher hier kaum und wenn dann nur befristet zur Miete.

Der Perruche Rouge, auf Deutsch Rubinlori, ist nicht nur Namensgeber für die Pension, sondern auch das Wappentier von Rimatara. Während er auf fast allen anderen Pazifikinseln ausgestorben ist, kommt der bunte Vogel auf Rimatara noch recht häufig vor. Hauptgrund ist, dass es auf der Insel keine Hausratten gibt, die als Nestplünderer gelten. Jedes Schiff, was anladen will und jeder Container, der abgeladen wird, wird zunächst von einem Spürhund auf Ratten durchsucht. Überall auf der Insel findet man Rattengift-Köder.

Ob auch deutsche Touristen hierher kommen, fragen wir Kenji. Dies bejaht er ausdrücklich. Ich erkundige mich weiter nach der Anzahl: „so zwei pro Jahr“, schätzt er. Genauso üppig fällt die Anzahl von „Touristen“ aus, die wir während unseres fünftägigen Aufenthaltes treffen: noch zwei geschäftsreisende Damen aus Tahiti wohnen bei Kenji. Sie sind zum Prüfen von Staatshilfen für zyklonsichere Häuser, sog. OPH-Häuser, hier. Besitzt man in Französisch Polynesien ein Grundstück, aber noch kein eigenes Haus, finanziert der Staat bei einem Familieneinkommen unter 3.300 Euro monatlich fast ein komplettes OPH-Haus, nur 2% muss der Bauherr zahlen. Wird ein OPH-Haus dennoch bei einem Zyklon beschädigt, übernimmt der Staat die Reparaturkosten zum Großteil. Leider nicht wirklich eine Motivation, um Arbeiten zu gehen – bestätigt auch eine der beiden Damen, die mit uns in der Pension wohnt. Sie kommt zufälliger Weise aus Papara auf Tahiti und ist eine Cousine von Herenuis Cousine, die wir auch bereits kennen…

Schaut man in einen Reiseführer, so findet man kaum Informationen zu Rimatara. Die meisten Infos erhalten wir unter www.tahitiheritage.pf sowie direkt von Kenji. Zu Fuß erkunden wir die Insel, welche aus drei Dörfern und dem Flughafen besteht.

Am Flughafen steht ein Gedenkstein für ein Schiffsunglück im Jahr 2003. Damals sollte die nicht hochseetaugliche Tahiti Nui IV Baumaterial von Tahiti für den Flughafen von Rimatara bringen. Auf dem Weg hierher geriet es in ein Unwetter und sank, sieben Besatzungsmitglieder starben. Auf dem Gedenkstein steht der Name Ena, Herenuis Familienname. Wir erkundigen uns bei unserer Gastfamilie, ob es einen Zusammenhang gibt. Tatsächlich ist es Herenuis Bruder, der damals an Bord war und unter den sieben Opfern ist. Die Familie ist überglücklich, dass wir ein Foto von dem Stein schicken – niemand war bisher hier und hat den Gedenkort besucht.

Eine Sache, die der Reiseführer empfiehlt, ist das Spazieren am Strand und Muschelsammeln. Strände gibt es hier wirklich fast endlos, und das menschenleer, aber leider erneut äußerst vermüllt mit Flaschen, Schuhen, Teilen von Fischernetzen und Seilen sowie zig anderen Plastikteilen. Statt Muschel- entscheiden wir uns also zum Müllsammeln. In kürzester Zeit sind wieder zwei große Säcke, die ebenfalls im „Strandgut“ lagen, voll. Gastgeber Kenji hilft uns am Folgetag mit seinem Auto bei der Entsorgung. Zwei weitere Müllhaufen, welche wir am Straßenrand zusammen getragen haben, hat tatsächlich schon jemand anderes weg geräumt. Es gibt also noch Hoffnung!

Mit Nelly, einer Flechterin, machen wir einen Schraubenbaum-Kurs. Wir lernen, wie man die Blätter erntet, trocknet und verarbeitet. Mit der Verarbeitung haben wir uns bereits auf Rurutu etwas vertraut gemacht. Die Pflanzen hier seien besonders, sagt Nelly, da es sich um eine stachellose Mutation handele. Der Baum müsse bei richtigen Mond- und Witterungsbedingungen gepflanzt werden, sonst bekomme er erneut Stacheln – und dann wird das Verarbeiten der Blätter zur Qual. Wir basteln hübsche Fächer und werden anschließend mit einem herrlichen Picknick am Strand verwöhnt. Uns begleitet den ganzen Tag eine Freundin von Nelly, zufällig auch aus Papara – sie arbeitet in der Post und kennt natürlich auch Varoa und Herenui.

Neben dem Flechten mit Schraubenbaum und der Kopraproduktion ist der Anbau von Noni ein weiterer Haupterwerb der Insel. Noni ist in Europa eine neue Superfruit und wird auch nach Deutschland zur Saftproduktion exportiert. Hier in Polynesien wird Noni hingegen schon seit Jahrhunderten genutzt, hauptsächlich gemischt mit Banane und Honig als Heiltrunk. Der Geruch einer reifen Noni erinnert an verfaultes Obst und lädt so gar nicht zum Verzehr ein.

Ein weiteres Exportgut, was allerdings hauptsächlich für den Verzehr auf Tahiti angebaut wird, sind Kartoffeln. Kenji erzählt uns, dass die Saatkartoffeln dafür aus den Niederlanden kommen. Dazu gäbe es Verträge auf Regierungsebene. Eigene Saatkartoffeln dürften nicht für das kommende Jahr eingelagert werden, sondern müssten jedes Jahr auf Basis dieser Verträge neu gekauft werden. Da sich Kenji mit Permakultur und Selbstversorgung beschäftigt, ärgert ihn dies besonders. Das abendliche Dinner, was wir in seinem kleinen Restaurant bekommen, besteht nahezu aus lokalen Produkten.

Da Rimatara wirklich sehr überschaubar ist, brauchen wir dieses Mal weder Fahrrad noch Auto. Zu Fuß erkunden wir das unbesiedelte Inselinnere mit dem 84m hohen Inselgipfel. Pinienwälder, Kokos- und Pomeloplantagen prägen die Landschaft. Selbst am Sonntag sind wir an der Hauptattraktion der Insel, dem Jungfrauenbad, allein: mitten im seichten Lagunenwasser finden sich hier zwischen Felsen mehrere tiefe, natürliche Badebecken.

Eine weitere Sehenswürdigkeit ist der historische Friedhof des Dorfes Amaru, wo die Königinnen und Könige der vergangenen zwei Jahrhunderte begraben liegen.

Nach fünf entspannten Tagen endet unsere Australreise hier auf Rimatara. Nelly, die Schraubenbaumflechterin, und ihre Freundin Sheila haben uns offenbar ins Herz geschlossen. Wir werden am Flughafen mit Blumenketten und Farnkränzen von den beiden verabschiedet. Es geht jetzt zurück nach Tahiti, wo wir mit Familie Boosie Weihnachten verbringen werden.

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Urlaub vom Urlaub - Teil 4 - Rurutu

Rimatara, Austral-Inseln, 05.12.2021

Rurutu – hierfür sollen wir uns unbedingt Zeit nehmen, meint Herenui, als wir am Planen der Flüge auf die Australs sind. Hier könne man sehr viel sehen und unternehmen. Wir planen also zehn Tage ein – und im Nachhinein sind das zu wenig für die gerade einmal 5x12km messende Insel: Steilküsten, Sandstrände, gigantische Tropfsteinhöhlen (hier Grotten genannt), Maraes (historische polynesische Kultstätten), dichte Wälder und äußerst nette Menschen.

Zu letzten zählt auch Denise, die Schwägerin von Paloma, deren 50. Geburtstag wir kürzlich auf Tahiti feierten. Denise erfährt – genauso wie wir – erst am Freitag, dass wir ab Montag bei ihr zu Besuch sein werden. Miranda, Herenuis Schwester, hatte alle Familienkontakte abgeklappert. Die nähere Verwandtschaft ist allerdings gerade auf Tahiti. Also wurde Denise „verdonnert“. Nach einem recht ruppigen Flug werden wir von ihr und ihrer Nichte Rautiare am gemütlichen Flughafen Rurutu empfangen – wie üblich mit Blumenketten und Bisous (Küsschen). Eine zehnminütige Fahrt führt uns über holprige Betonstraßen in das Hauptdorf Moerai, wo Denise fast allein in einem recht großen Haus wohnt. Nur die wenig befahrene Straße trennt das Meer vom Grundstück. Zwei von Denise‘ fünf erwachsenen Kindern wohnen sporadisch noch mit im Haus, die anderen sind weggezogen und der Ehemann bereits 2014 verstorben.

Was wir bereits in Polynesien gelernt haben, ist jederzeit spontan zu sein: Und so gibt es bereits um 10 Uhr Mittagessen, bevor wir nach einer kurzen Tour durch den großen Garten auch schon in die Wanderschuhe schlüpfen und auf den höchsten Berg der Insel marschieren – den Mont Manureva. Rautiare und ihr Mann Teave fahren mit uns ein Stück ins bergige Inselinnere, von wo aus wir gemeinsam laufen. Wir sind erstaunt – der Wanderweg ist tatsächlich ausgeschildert! Es gibt sogar Übersichtskarten, wo man sich gerade befindet. Der Gipfel des Manureva hat 389m und bildet mit einigen weiteren Erhebungen einen Gebirgskamm. An der Seite des Kammes besuchen wir die Grotte Ina, eine von über 40 Höhlen, die es auf Rurutu gibt. Einer Legende nach sei diese kleine Höhle früher viel größer gewesen und es habe eine Hexe darin gewohnt, die Kinder gegessen habe.

Reti, der Cousin von Denise, ist Wanderführer und zeigt uns am Folgetag fünf weitere Grotten, welche sich entlang des „Sentier Perdu“, des verlorenen Wanderweges befinden. Wir beginnen am Strand von Hauti und steigen die Steilküste hinauf. Im Gegensatz zu Raivavae und Tubuai hat Rurutu nur eine ganz schmale, kleine Lagune. Schon vom Strand aus kann man die seltene Geologie von Rurutu bewundern: Die Insel vulkanischen Ursprungs wurde im Laufe ihrer Geschichte durch tektonische Bewegungen und Lavaaustritte ca. 150m angehoben, inklusive des die Insel umgebenden Korallenriffes. Das Meer hat während dieser Millionen von Jahren andauernden Prozesse stets das Gestein ausgespült, wodurch auf verschiedenen Ebenen Höhlen entstanden. In die Höhlen eindringendes Wasser reicherte sich aufgrund des Korallengesteins mit Kalk an und bildete unglaubliche Massen von Tropfsteinen.

Mit Kopflampen ausgestattet betreten wir die erste der fünf Höhlen auf dem verlorenen Wanderweg, deren Größe wir kaum fassen können. Wohin man schaut – auf den Boden, an die Wand und die Decke – verbergen sich erstaunliche bis seltsame Formationen von Tropfsteinen. Mal als Stalaktiten (von der Decke her wachsend), mal als Stalagmiten (vom Boden her wachsend) und manchmal als Stalagnat (zusammengewachsen). Zudem in Form von Gardinen, mit Wasser gefüllten Bassins, als Flächen geriffelt wie ein Waschbrett oder in Wellenform, als sei ein Fluss plötzlich zu Stein erstarrt. Außerdem zeigt Reti uns eine Besonderheit, die es nur hier geben soll: Das Felsgestein in der Höhle ist stellenweise mit kleinen, blumenkohlartigen Gebilden überzogen. Dies seien lebendige Höhlenkorallen, beschreibt Reti. Wir schauen uns fragend an und sind unsicher, ob das tatsächlich der Fall ist und nehmen uns vor, dies noch zu recherchieren.

Wir besichtigen weitere dieser Grotten auf unterschiedlichen Höhen und kraxeln zwischendurch steile Felswände hinauf. Die Felsen sind – je nach Gesteinsform – teilweise messerscharf. Wir passieren abschließend die Grotte de Monstre, die Monsterhöhle, welche auf Grund der Tropfsteine und der Felsformation dem Kopf bzw. Gebiss eines Dinosauriers gleicht.

Neben den Höhlen ist Rurutu auch für seine zahlreichen Pferde, den aromatischen Kaffee und die Flechtarbeiten aus Schraubenbaum bekannt. Wenn Denise Zeit findet, flechtet auch sie Teppiche, Taschen, Körbe, Fächer und andere Kostbarkeiten aus dem Pandanus, wie der Baum auch genannt wird. Hierzu erntet sie in einem der Familienfelder die Blätter, entfernt die störenden Zackenränder und hängt sie bündelweise zum Trocknen auf. Anschließend müssen die Blätter geglättet und gerollt werden. So lagern sie bis zu ihrer Weiterverarbeitung. Mit Hilfe von Nadeln entfernt man den störenden Mittelsteg der Blätter und trennt sie in lange, flechtbare Streifen. Geflochten wird z. B. um vorgefertigte Holzkörper herum, die es in unterschiedlichen Größen für verschiedene Behältnisse gibt.

Wir helfen Denise beim Glätten der Blätter. Sofort kommt mir der Fröbelstern in den Sinn, der ihr noch unbekannt ist. Ich zeige ihr zweimal die nötigen Faltschritte und schon hat sie sich ihn eingeprägt. Kleine Sache mit großer Wirkung – Denise freut sich sehr über diese neue Falttechnik und präsentiert stolz allen vorbeikommenden Gästen die Neuigkeit. Als Dankeschön flechtet Nichte Rautiare mit mir gemeinsam eine Tasche für mich, in meinem Lieblings-3D-Muster.

Da Denise sehr gern kocht, dürfen wir uns täglich über neue Gerichte freuen: Schweineeintopf, Fisch-Gemüse-Pfanne, Hühnersuppe, Bananen-Taro-Brei, gebratener Schweinekopf, Nudeln mit Tomatensoße, Poisson Cru oder Hühnchen in Kokosmilch. Als Beilage gibt es meist Taro vom eigenen Feld, Kochbanane (Fei) und Reis, außerdem Baguette und Gemüse aus dem eigenen Garten. Nachtisch bilden Früchte wie Pomelo, Ananas und Bananen, dazu Trinkkokosnuss – alles lokal. Im Gegenzug backen wir Pizza für die ganze Familie.

Dass auf Rurutu keiner den Hungertod sterben muss, hat man uns schon kurz nach unserer Ankunft mitgeteilt. Und warum das so ist, erfahren wir bereits bei einem kurzen Spaziergang mit Denise am Dorfrand: Überall wachsen Obstbäume an Straßen und Wegen, gepflanzt von den Einwohnern für die Einwohner. Man darf sich bedienen an Papaya-, Pomelo-, Zitronen-, Guaven-, Avocado- und Corossolbäumen, Kokospalmen und Bananenstauden. Überall liegen die Früchte auf dem Boden, weil es kaum einer schafft, sie zu essen. Wir sacken ein, was wir tragen können. Als wir am Schulgarten vorbeikommen, wo Nachbar Joseph noch Unterrichtsnachbereitungen macht, stellt er uns unvermittelt eine Schubkarre zur Verfügung, um unsere reiche Ernte nach Hause zu fahren. Er füllt die Karre noch mit Salat, Gurken, Möhren und Pak Choi auf. Mami Denise gebe schließlich auch immer gern.

Eine kleine Überraschung gibt es noch am Rande – wir passieren mit Denise den Friedhof, wo sie uns das Grab ihres Mannes und weiterer Familienmitglieder zeigt. Aus dem Reiseführer wissen wir, dass hier auch das Grab des berühmten Seefahrers Eric de Bisschop sein muss. Bei der Suche danach entdeckt Denise das Grab ihrer Großeltern – in dieser Ecke des Friedhofes war sie noch nie und es hat ihr auch bisher nie jemand gezeigt. Sie freut sich sehr über diesen Zufallsfund, und auch darüber, dass das Grab sehr gepflegt ist. Dies liefert auch genug Gesprächsstoff für das nächste „Lala“, so wie Denise schmunzelnd den täglichen Schwatz mit allen möglichen Leuten nennt, die sich trifft.

Rurutu ist überwiegend bergig und dicht bewaldet, die karibische Pinie wurde als Nutzholz angepflanzt und dominiert neben den zahlreichen Kokospalmen. Im Inselsüden gibt es eine Ausnahme: Ein größeres Plateau ist hier frei von Bäumen, wilde Ziegen und Pferde leben in dieser Landschaft. Bizarre Lavaformationen schauen aus dem dichten Gras heraus, das Gestein sind erneut messerscharf. Yvette, die Schwiegertochter von Denise, und ihre Freundin Leana wandern mit uns durch diese Gegend. Die Ziegen zeigen sich nur von Weitem – wilde Hunde würden sie immer wieder angreifen und dezimieren. Leana, eine ehemalige Stewardess, hat sich vor einem halben Jahr in Rurutu verliebt und wohnt jetzt hier. Wie wir hat sie ein großes Herz für Tiere und berichtet uns über die Situation von Haus- und Wildtieren auf der Insel. Leider gäbe es auch hier kaum kastrierte Haustiere, auch wenn seit einiger Zeit ein Tierarzt auf der Insel verfügbar ist. Die verwilderten Hunde seien das Ergebnis von ausgesetzten und vernachlässigten Haushunden, die nun wegen ihrer Streifzüge durch Wälder und Hühnerställe gejagt werden müssten.

Leana hat kürzlich ein verletztes, abgemagertes Fohlen auf einem Grundstück entdeckt. Es war kaum mehr in der Lage zu laufen und von der Mutter gab es keine Spur. Der Grundstücksbesitzer hatte kein Interesse an dem Tier, weshalb Leana den kleinen Kerl mitnahm. Anapo wird nun von ihr aufgepäppelt, hat einen kleinen Auslauf und ist tagsüber angepflockt auf den saftig grünen Nachbarwiesen. Allgemein sind die meisten Pferde auf Rurutu angepflockt, wie auch Schweine, Ziegen und Rinder. Immerhin ist ein Großteil der Tiere, die wir sehen, optisch in halbwegs gutem Zustand, gleichwohl wir diese Haltungsform nicht gutheißen möchten. Wenn wir aber an die Haltung der Nutztiere in Deutschland denken, dann geht es zumindest den Schweinen und Rindern hier besser. Das Zuschauen beim Fischen stimmt mich allerdings, wie auch schon auf Tahiti, nachdenklich. Kaum jemand erlöst den geangelten oder im Netz gelandeten Fisch zeitnah. Er liegt einfach so lange an Land, bis er nicht mehr japst oder zappelt. Teilweise werden ihm die Stacheln ab- und der Bauch aufgeschnitten, obwohl der Fisch nicht betäubt wurde bzw. noch lebendig ist.

Über das Hunde- und Katzenleben haben wir ja schon mehrfach berichtet. Einige Hunde hier haben richtig Glück, sind wohlgenährt und streifen den ganzen Tag mit ihren Kumpels durchs Dorf, baden im Meer und hüten nach Herzenslust kleffender Weise Rad- und Mopedfahrer. Andere hingegen fristen ihr tristes Dasein angeleint und teilweise kupiert, sind gezeichnet von Kämpfen mit Artgenossen oder Zusammenstößen mit Autos. Katzen hingegen sieht man nur selten, bei der Schaar von Hunden sinken ihre Überlebenschancen scheinbar stark. Besonders in Erinnerung bleibt uns die Keinenasenkatze von Denise‘ Freundin. Sie macht zwar noch einen recht fitten Eindruck, jedoch fehlt ihr nach einem Hundebiss das Näschen. In Sachen Tierwohl gibt es also in Polynesien – genauso wie in Deutschland – noch viel zu verbessern.

In der Nachbarschaft von Denise ist ein kleiner Stall mit acht Pferden. Da es Freunde der Familie sind, organisieren sie mit uns einen gemeinsamen Ausritt. Wir erfahren währenddessen mehr über die Bedeutung des Pferdes auf Rurutu: Früher galt es vor allem als Fortbewegungsmittel, heute hält man es hauptsächlich zum Reiten. Und geschlachtet werden sie nicht, zum Essen seien Pferde viel zu schade. Frauen trifft man hier übrigens kaum im Pferdesport an – es ist eine Männerdomäne. Wir machen uns zu viert auf in Richtung Strand – jeder von uns reitet einen Hengst, ohne Sattel, teils nur mit Strick im Maul und ja, ohne Helm. Pferdesportausstattung ist eben Mangelware am Ende der Welt. Zunächst ist uns also etwas mulmig dabei, haben wir doch im Hinterkopf, wie energiegeladen ein meist angepflocktes Pferd doch sein muss. Doch alle vier Hengste erscheinen uns recht ausgeglichen, gemächlich und verträglich. Der Galopp am Strand fällt eher gelassen aus, auch brummende Autos und Motorräder sowie am Strand picknickende Leute inklusive Feuer machen den Pferden keine Angst. Sturzfrei kehren wir also zurück zum Pferdehof, auch wenn es unterwegs ein wenig wie bei Bibbi und Tina zuging 😉 Der Stallbesitzer zeigt uns noch stolz seinen Nachwuchs sowie seine zwei Araber, welche er vor kurzem von Papeete mit dem Schiff hierher transportieren lassen hat. Es findet gerade Hufpflege statt – barhuf als auch barfuß – typisch polynesisch eben… Das Einreiten wird übrigens erst mit ca. vier Jahren begonnen, was uns beruhigt.

Während unseres Aufenthaltes fiebern bereits alle Familienmitglieder auf Samstag zu – da kommt das Frachtschiff und beliefert die Insel. Tuhaa Pae bietet Platz für ca. 40 Container und fährt alle zwei bis drei Wochen eine Austral-Runde von Tahiti aus. Es liefert vor allem Lebensmittel und Baumaterial, aber auch Kraft- bzw. Treibstoffe: Kerosin für die Flugzeuge, welche vor dem Rückflug nach Tahiti tanken müssen, sowie Benzin und Diesel für Fahrzeuge und Stromgeneratoren. Außerdem kommen private Pakete, Tiere, Fahrzeuge, Möbel, Zisternen und auch Passagiere mit dem Schiff auf den Australs an.

Bereits am Morgen liegt das Schiff am Anker vor dem Hauptdorf Moerai, im offenen Meer. Der Pass zum Hafen ist nur für kleine Boote befahrbar. Die Container und sonstigen Waren werden folglich draußen bei Wellengang auf kleinere Boote verladen und erreichen mit diesen den halbwegs geschützten Hafen. Auch an Land herrscht reger Betrieb: Kühlwaren müssen schnell in die Geschäfte gebracht werden, der lang ersehnte, neue Roller ist endlich da genauso wie die Wellblechplatten, mit denen endlich das neue Haus fertig gebaut werden kann. Die „Warenflut“ im Geschäft überrascht auch uns – gab es gestern nur noch Cheddar in der Käsetheke, warten heute zudem Frischkäse, Emmentaler und Blauschimmelkäse auf uns.

Auch eines der großen Fragezeichen, welches sich uns immer wieder aufwirft, kam mit dem Schiff: Gefrorene Hühnchenunterschenkel aus China. Richtig, Unterschenkel mit viel Knochen und kaum Fleisch. Die Bevölkerung kauft es gern – dabei laufen auf jeder polynesischen Insel hunderte bis tausende wilde Hühner umher, die man nicht einmal bezahlen, sondern nur fangen muss. Die seien aber viel zu zäh, berichtet man uns, und greift lieber auf den „Abfall“ der chinesischen Fleischindustrie zurück, welcher doch nur so kurz gekocht werden müsse… Eine der Unsinnigkeiten, welche Globalisierung und französischer Wohlstand hierher – in dieses sonst noch so recht ursprüngliche Leben – mitgebracht haben. Bis vor kurzem gab es auf Rurutu noch eine Ziegenfarm, wo Milch, Joghurt und Käse produziert wurden. Das kühlere Klima hier lässt dies problemlos zu. Doch der Bauer habe aufgegeben, bedauerlicher Weise, berichten uns Rautiare und ihr Mann Teave, welche auch oft Futter zu den Tieren gebracht haben. Der Grund sei nicht bekannt, eventuell das Alter, meinen die beiden. Schade!

Hatten wir eigentlich schon über den Preis des Bieres berichtet? Schon auf Tahiti muss man mit 35 Euro für einen Kasten Hinano, gebraut auf Tahiti, tief in die Tasche greifen. Hier auf den Australs kommt noch ein ordentlicher Aufschlag für den Transport dazu. Ein Sechserpack Dosen kostet ca. 20 Euro – und dennoch findet es reißenden Absatz. Stellenweise artet der Alkoholkonsum, wie auch in Deutschland, aus: ein Großteil des Gehaltes wird in Bier „investiert“, haufenweise leere Dosen bleiben am Strand und an Sitzecken liegen, manchmal auch die Konsumenten daneben… Der Plan der Politik, dem Alkoholkonsum mit hohen Preisen und Einkaufsverboten am Wochenende entgegenzuwirken, ist erfolglos.

Doch zurück zum Thema Meer! Die flache, schmale Lagune, welche Rurutu umgibt, macht nicht nur das Befahren mit Schiffen unmöglich, sondern auch ausgedehntes Schwimmen. Daher nutzen wir den kleinen Pass vor unserer Haustür zum Schwimmen und Schnorcheln. Hannes entdeckt bei der Erkundung des Passes nicht nur Rifffische, sondern auch einen Weißspitzenriffhai, welcher es sich unter einem Felsen gemütlich gemacht hat. Er sucht jedoch sofort das Weite, als Hannes sich ihm vorsichtig nähert.

Dass Haie sehr feinfühlig sind, merken wir auch, als Nachbar Joseph Hannes mit zum Netzfischen in die flache Lagune nimmt. Es dauert nicht lang und es platscht und ruckelt stark am ausgebreiteten Netz: von außen versucht ein Hai an die ins Netz gegangenen Fische zu gelangen. Joseph verscheucht ihn jedoch mit lauten Rufen sowie Handschlägen ins Wasser. Der Hai könne die zappelnden, panischen Bewegungen der im Netz befindlichen Fische bereits aus weiter Entfernung wahrnehmen, erklärt uns Joseph später. Das Fangergebnis ist mäßig – wir hätten mit mehr gerechnet und fragen uns, ob es auch hier bereits eine Überfischung gibt. Außer Joseph haben wir jedoch keinen weiteren Fischer in der Zeit, in der wir hier sind, an diesem Strandabschnitt getroffen. Seinen Fang teilt Joseph zudem mit Familie und Freunden – auch wir bekommen zwei Fische für das Sonntagsessen.

Im abendlichen Fernsehen wird täglich neben Wetter und Nachrichten auch ein kurzer Beitrag über den Mondkalender Tarena ausgestrahlt. Heute sei keine gute Nacht zum Fischen, mondbedingt. Man könne aber Taro und andere Wurzelgemüse pflanzen. Denise ist erstaunt, als ich berichte, dass man sich in Deutschland nur wenig am Mond orientierte – sei er doch sehr entscheidend für den Ernteertrag. Lag der mäßige Fischfang heute also auch am Mond? Wer einen Beitrag zum aktuellen Mondkalender schauen will, klickt auf Tarena.

Anders als auf Raivavae dürfen wir am Sonntag mit in die Kirche. Nach dem für Polynesien üblich üppigen, deftigen und frühzeitigen Sonntagsfrühstück wird sich schick gemacht. Die Damen tragen klassisch Fenua inklusive großen Flechthüten. Wir nehmen in der oberen Etage der 150 Jahre alten, protestantischen Kirche Platz. Eine Orgel oder ein sonstiges Instrument gibt es hier nicht – Gott habe den Menschen mit der Stimme bereits ein Instrument gegeben, sagt man. Insbesondere die Frauen der mit ca. 100 Dorfbewohnern gefüllten Kirchen benutzen lauthals ihr „Instrument“ – man könnte es schon fast unter Schreien verbuchen, so laut ist es. Die Hälfte des zweistündigen Gottesdienstes wird damit verbracht, Geld zu sammeln. Reihenweise bringen die Gemeindemitglieder Briefumschläge und große Scheine nach vorn, wo es doppelt und öffentlich gezählt wird. Die Summe ist erstaunlich – ca. 10.000 Euro umgerechnet. Denise erklärt uns nach dem Gottesdienst, dass es sich dabei um eine Spende für die örtliche Gemeinde handelt, welche einmal jährlich gesammelt wird. Weiterhin spenden die Kirchgänger einmal jährlich – im Mai – eine fünfmal so große Summe. Diese wird dann nach Tahiti gesendet, wo die Hauptverwaltung der protestantischen Kirche ansässig ist. Anders als in Deutschland werden die Kirchen hier nicht durch Steuern, sondern nur durch Spenden der Gemeindemitglieder finanziert.

Für echte Radlerfreuden erfordert Rurutu auf Grund seiner Geologie im Gegensatz zu den anderen Australs Fahrräder mit Bremsen und Schaltung, ansonsten kommt man nicht weit. Denise‘ Schwiegertochter leiht uns – wie immer ohne Gegenleistung – gern ihre zwei Räder. Wie auch auf Tubuai muss man sich hier übrigens keine Gedanken darüber machen, die Fahrräder gegen Diebstahl zu sichern. Wir erkunden mit den Rädern den Südosten der Insel, welcher äußerst wild und grün ist. Bananen, Corossol, Kokosnüsse, Kaffee, Ananas, Taro und Litschis sind hier der Haupterwerb der Bevölkerung. Mit Litschies sieht es allerdings dieses Jahr auf den ganzen Australs nicht gut aus. Die Trockenzeit (Juni bis August) sei viel zu warm gewesen, normaler Weise werde es dann hier bis zu 14 Grad kühl. Das Ausbleiben der Kälte habe auch die Litschi-Früchte ausbleiben lassen, hören wir mehrfach. Nun beginne langsam die warme und nasse Jahreshälfte, doch auch Niederschlag sei mittlerweile nicht mehr selbstverständlich. Der Klimawandel mache sich auch hier bemerkbar, bestätigen alle, mit denen wir über das Thema reden. Seit dem Beginn unserer Austral-Reise ist das Wetter übrigens schon deutlich milder geworden: Haben wir anfänglich auf Raivavae noch leicht gefröstelt, ist es hier tagsüber schon zu heiß, um sich im Haus aufzuhalten. Das Meer kühlt aber noch ausreichend ab.

Für den Rückweg der Radtour haben wir uns einen stabilen, alten Reissack mitgenommen. Der Strand, an dem wir ausreiten waren, ist stellenweise mit Müll übersät. Leider ist er so schnell voll, dass wir nur 150m schaffen – aber besser als nichts. Wie immer sind Flaschen und Flaschendeckel, Teile von Fischernetzen, Seile und Flipflops am häufigsten zu finden. Der Anteil bereits zerbröselter Plastik ist hier jedoch besonders hoch – eine Sisyphus-Arbeit. Denise ist erstaunt über unser Engagement und bedankt sich dafür. Wir trennen den Müll gemeinsam – ein Teil kann immerhin in die grüne Tonne. Der wird nach Tahiti verschifft und dann nach Neuseeland verkauft. Der Restmüll landet auf einer Deponie im Inselinneren und wird dort ab und zu abgebrannt. Ein Grund mehr für uns, so plastikfrei wie möglich zu leben, insbesondere hier auf den kleinen Inseln. Denise erzählt uns weiter, dass die Gemeinde in den Schulferien Müllsammeltermine organisiert. An diesen Tagen gehen alle Schulklassen gemeinsam sammeln. Erschreckend, dass man trotzdem immer noch so viel Müll findet. Erfreulich, dass immerhin etwas unternommen wird.

Für Rautiare, Denise‘ Nichte, und ihren Mann Teave ist es eine Freude, mit uns Zeit zu verbringen. Teave ist ein absoluter Naturfreund und unternimmt mit uns weitere Grotten- und Klippenwanderungen. Der Pfad nach oben auf die Klippe ist steil und führt durch messerscharfes Gestein. Nur nicht abrutschen, dann sind die Beine aufgeritzt. Unsere Schuhe halten zum Glück durch und am Klippenrand erwarten uns unzählige Tropikvögel, welche hier nisten und um die Klippe kreisen. Die Aussicht auf das Meer ist fast endlos, keine Insel, kein Boot, nur der Horizont ist in Sichtweite. Die äußerst versteckt liegende Grotte erreichen wir erst nach einer weiteren halben Stunde Fußmarsch durch den Wald. Da der Weg bereits kaum mehr erkennbar ist, knicken wir uns für den Rückweg Äste ab. Dann stehen wir plötzlich wieder vor einem riesigen Gewölbe, was ca. 150m tief ins Düstere führt.

Die Höhle ist sowohl am Boden als auch an der Decke mit Tropfsteinen überzogen, alles glitzert und erweckt den Eindruck, man laufe auf einem erstarrten Fluss. Ja, richtig, man läuft auf den Tropfsteinflächen, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Braune Erdanhaftungen auf dem ansonsten cremig-weißen Glitzerboden markieren den Pfad, auf dem man sich durch die Höhle bewegt. In ihrer Mitte treffen wir auf die Jungfrau der Grotte – ein Stalagmit, der auf einem Plateau thront und einer Marienfigur gleicht. Zu ihren Füßen das sog. Xylophon – eine Gardine aus Tropfsteinen, welche man durch vorsichtiges Schlagen anstimmen kann. Wir sind hier eben im Pazifik und nicht in Deutschland – Betreten, Anfassen und Benutzen sind ausdrücklich erwünscht und so musizieren wir ein bisschen in der ansonsten völlig stillen und dunklen Höhle. Fledermäuse gibt es auf Rurutu übrigens nicht, genauso wie auf den anderen Australs. Die Inseln sind einfach zu abgelegen.

Am anderen Ende der Insel besuchen wir die Grotte Mitterrand. Sie wurde nach dem ersten und einzigen französischen Präsident, der es bisher auf die Australs geschafft hat, benannt. Die Höhle wird von einer mächtigen Wächterfigur in der Mitte beschützt – früher fanden hier wohl sogar Kämpfe statt. Heute begnügen wir uns mit der Besichtigung 😉 Ein paar Marae’s (polynesische Kultstätten) liegen außerdem noch auf der Route zur Grotte.

Nach zehn abwechslungsreichen Tagen heißt es Abschied nehmen. Als Erinnerung und Dank für unseren Besuch bekommen wir jeder ein Rurutu-T-Shirt sowie eine Perlmut-Kette in Inselform mit Namensgravur geschenkt. Außerdem bringen Denise und ihre Familie uns selbstverständlich persönlich zum Flughafen. Hier warten noch zwei kleine Highlights auf uns, bevor wir zum Boarding gehen: Neben der Abflughalle befindet sich der Gott A’a (wenn auch nur als Replikat). Er ist der letzte verbliebene Gott von Rurutu, alle anderen hölzernen Gottheiten wurden von den Missionaren verbrannt. Das Replikat ist leider nur von außen zu bestaunen – und das Original steht im British Museum in London.

Außerdem kann die Wartezeit bis zum Eintreffen des Fliegers durch die Besichtigung einer nur 100m vom Rollfeld entfernten Grotte verkürzt werden. Die Kids spielen währenddessen im Vorgarten des Bürgermeisters mit Murmeln. Typisch Rurutu – einfach herrlich! Dieses Mal haben wir übrigens „nur“ Muschelketten als Reisebegleitung bekommen. Blumenketten verbietet Rimatara. Warum? Das erfahrt ihr im nächsten Beitrag…

Als der ATR startet, winkt die ganze Familie uns nochmals vom Zaun am Rollfeld – was für ein rührender Moment! Nun reisen wir weiter, auf die letzte Insel unserer Australs-Reise. Rimatara erwartet uns!

Wir freuen uns auf einen Kommentar von dir!

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Doris schrieb am 09.12.2021:

Hallo ihr Zwei, nach einigen Tagen Abstinenz nun ein Beitrag, der durch seine Länge für die Wartezeit entschädigt 😉.

Die Insel Rurutu ist durch seine Höhlen und/oder Grotten wahrscheinlich einzigartig aber auch wunderschön. 

Du hattest geschrieben, dass fast jeder auf der Insel Selbstversorger ist. Anfangs hattest du auch von einer monatlichen Rente geschrieben. Sind denn die Inselbewohner alle rentenversichert? ….und wie ist es mit der Krankenversicherung? Gibt es ein gesetzliches Rentenalter? Also mich interessiert halt mal die Versorgungsseite. Und was ist mit älteren Menschen? ….werden sie von ihren Kindern und Eltern betreut oder gibt es Altenheime o.ä.? 

Ansonsten freue ich mich, über eure tollen Erlebnisse, Begegnungen und Abenteuer.

Aber nun sagt mal ehrlich…., bei solcher Natur, den Temperaturen, meist in Flipflops unterwegs…, kommen denn da bei euch Weihnachtsgefühle auf? Wahrscheinlich eher nicht oder?

Und noch eine Frage…, hast du und/oder Hannes immer ordentlich beim Kochen aufgepasst? Ihr werdet doch sicher zu Hause einiges nachzukochen wollen.

Was mich etwas nachdenklich stimmt  sind die Bilder vom Plastikmüll an den Stränden. Wenn ich da allein an unsere momentan Situation in Thüringen denke, sehe ich schon die Corona- Testverpackungen, Wattestäbchen und Millionen von Masken im Wasser schwimmen. Denn das ist ja Zusatzmüll, den es vor knapp 2 Jahren in der Masse noch nicht gab.

Ohje….., wenn nichts passiert, werden wir eines Tages im Müll ersticken.

Nun aber wieder positiv denken 🙂.

Ich wünsche euch trotzdem eine schöne Vorweihnachtszeit. 

Ach übrigens…., mein Südsee-Kalender ist fertig 👍

Liebe Grüße aus der Heimat sendet Doris 🙋‍♀️

Carina schrieb am 11.12.2021:

Hallo Doris,

ja die Menschen auf den Australs leben zum großen Teil von Nahrungsmitteln aus dem eigenen Garten sowie aus dem Meer. Rente bekommt in Französisch-Polynesien jeder, ca. 700 Euro monatlich ab dem 60. Geburtstag – unabhängig davon ob man gearbeitet hat oder nicht. Hat man viel gearbeitet, so kann die Rente aber höher sein. Für ältere Menschen gibt es wie bei uns Betreuungseinrichtungen, auf den Australs werden die Leute aber hauptsächlich in ihren Häusern gepflegt. Das übernehmen meist Verwandte.

Eine Art Krankenversicherung existiert ebenfalls, die sog. Caisse Prévoyance Sociale (CPS). Der Beitrag ist wie bei uns vom Einkommen und weiteren persönlichen Faktoren abhängig. Muss ein Bewohner der Australs zu einem Arzt nach Tahiti, bezahlt die CPS bespw. auch das Flugticket für den Arztbesuch.

Weihnachtsgefühle kommen bei uns bisher nur wenig auf – in Flip-Flops und kurzen Hosen auf dem Weihnachtsmarkt 😉

Die Kochrezepte hier sind recht simpel. Vieles wird mit Kokosmilch gemacht, davon nehmen wir die ein oder andere Idee sicher mit.

Die Menge an Plastikmüll hier ist tatsächlich enorm, insbesondere Plastikflaschen. Doch jede eingesammelte Flasche ist eine weniger, die im Ozean treibt. Von daher darf man nicht aufgeben! In dem Zusammenhang kann ich die App „Replace Plastic“ empfehlen.

Liebe Grüße ins kalte Deutschland
Carina & Hannes

Urlaub vom Urlaub - Teil 3 Funkstille

Rimatara, Austral-Inseln, 02.12.2021

Es herrscht nun schon ein paar Tage gähnende Leere auf unserer Website, was Neuigkeiten angeht. Dies liegt an der Abgeschiedenheit der Australs. Das Internet reicht zwar zum Nachrichten schreiben, für mehr aber auch nicht. Daher müsst ihr euch leider noch etwas gedulden, was unsere Beichte über die herrlichen Inseln Rurutu und Rimatara angeht. Auf letzterer befinden wir uns gerade, in der Pension Perruche Rouge

Am kommenden Montag gehts dann zurück nach Tahiti zu den Boosies. Dann erwarten euch die neuen Beiträge über die Australs!

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Urlaub vom Urlaub - Teil 2 - Tubuai

Moerai, Rurutu, Austral-Inseln, 27.11.2021

Nach sieben abwechslungsreichen Tagen auf Raivavae fliegen wir auf die Nachbarinsel Tubuai. Hier gibt es zwar keine Familienmitglieder, bei denen wir unterkommen könnten, aber wir möchten auch diese Inselschönheit besuchen. Tubuai liegt etwas nördlich von Raivavae und damit ziemlich genau auf dem südlichen Wendekreis der Sonne. In knapp einem Monat wird die Sonne also genau hierüber stehen – noch verläuft ihre Bahn nördlich von uns.

Wir wohnen bei einem französisch-tahitianischen Pärchen, welches ein Restaurant und Roulotte auf der gut 2.200 Einwohner zählenden Insel betreibt. Wie fast immer liegt auch dieses Grundstück direkt am Strand. Letzterer ist jedoch völlig anders als auf der Nachbarinsel – eine riesige, ziemlich flache Lagune mit orangefarbenem Sand umgibt die Insel. Die Lagune beherbergt jedoch nur vier Motus, eine kleine Steininsel und ein paar Sandbänke.

Mit den Kajaks unserer Unterkunft steuern wir eines der Motus an, doch ich schaffe es gerade einmal bis zum 2km entfernten Steinmotu ‚Ofa’i. Die einströmende Flut, Wellen und Gegenwind lassen meine Kraft schwinden. Auf der Steininsel brüten zahlreiche Vögel am Boden – wir stören also nur kurz und bestaunen schnorchelnd das umgebende Riff.

Außerdem stehen uns zwei Fahrräder zur Verfügung. Der Straßenverkehr ist deutlich „dichter“ als auf Raivavae, pro Stunde begegnet man hier immerhin 10 bis 20 Autos (wobei sich die Fahrzeuge mehrfach doppeln). Auch insgesamt ist die Insel deutlich moderner als Raivavae, es gibt überall fließend Wasser und betonierte oder asphaltierte Straßen inkl. Beleuchtung. Wir besuchen den örtlichen Friedhof, auf dem wir ein Grab mit deutschen Namen entdecken. Später soll sich dies noch aufklären… Im Lebensmittelladen gibt es eine Spendenbox für die Kastration von Straßenhunden. Der Inseltierarzt hat sich diesem Problem angenommen und die Ladenbesitzerin freut sich sehr über unsere Spende – wir uns über das Engagement des Tierarztes.

Mit den bremsen- und schaltungslosen Rädern kämpfen wir uns in die Inselmitte – hier beginnt der Aufstieg auf den Mont Taitaa, welcher 422m hoch ist. Wir genießen das Gipfelpanorama und sind auf dem Rückweg froh, dass unsere nicht angeschlossenen Fahrräder immer noch unversehrt da stehen, wo wir sie abgestellt haben. Angst vor Diebstahl muss man auf den Australs glücklicher Weise nirgendwo haben. Unser Weg führt uns zurück durch Litschiplantagen und Melonenfelder.

Am nächsten Morgen fährt uns Taxi Lolo zum Flughafen. Die gemütliche Dame erzählt uns, dass ihr Großvater von einem Schweizer abstammt und Hoffmann hieß – zufällig jener Name, den wir auf dem Friedhof gelesen hatten. Der Vorfahre sei damals mit der Bounty, deren Besatzung 1789 hier nach der Meuterei mit Anführer Fletcher Christian Schutz suchte, hierher gekommen. Er sei dann hier geblieben und habe eine Einheimische geheiratet. Spätere Recherchen im Internet lassen uns jedoch an dieser Aussage zweifeln. Besagte Familie Hoffmann kam gemäß Google-Recherche erst im 19. Jahrhundert aus dem Osten Frankreichs, nahe Straßburg, hierher. 

Unsere Reise führt uns nun weiter nach Rurutu. Bei suboptimalem Flugwetter und einigen Turbulenzen kommen wir dennoch sicher dort an… Fortsetzung folgt 😉

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Urlaub vom Urlaub - Teil 1 - Raivavae

Tubuai, Austral-Inseln, 19.11.2021

„Ist euch noch nicht langweilig, wollt ihr nicht ein paar Inseln besuchen?“, fragt uns die Mutter von Herenui. Es gäbe doch so viel Verwandtschaft, die wir besuchen könnten, z. B. auf den Marquesas oder Austral-Inseln. Wir machen uns also kundig, wie man dahin kommen kann – vielleicht auch ohne Flugzeug. Gleich vorab – dieser Beitrag hat auf Grund der langsam laufenderen Uhren auf den Australs zu einer Rekord-Länge geschafft.

Auf die Austral-Inseln, welche 500 bis 1.000 km südlich von Tahiti verteilt liegen, fährt zweimal im Monat ein Frachtschiff. Leider hält es da nur kurz zum Be- und Entladen, sodass man nicht an Land gehen kann oder gleich zwei Wochen bis zum nächsten Schiff bleiben muss. Segeln will zu der Jahreszeit auch keiner mehr da runter, immerhin ist das Zyklon-Risiko „moderat“ und damit höher als auf Tahiti. Es bleibt uns also leider nur das Flugzeug, was die einzelnen Inseln zwei- bis dreimal wöchentlich ansteuert.

Kaum sind die Flüge gebucht, kümmert sich Miranda, Herenuis Schwester, auch schon um die Kontakte zur Familie. Pensionen seien schließlich viel zu teuer, meint Herenui. Wir fliegen zuerst nach Raivavae, wo der Mann von Miranda, Herenuis Schwester, herstammt. Drei seiner zwölf Geschwister leben noch hier – wir kommen bei einer der beiden Schwestern unter. Knapp zwei Stunden dauert der Flug von Tahiti und wird mit einem spektakulären Landeanflug über eine türkise bis tiefblauen Lagune gekrönt. Die Landebahn ist in selbige hineingebaut und der ATR, eine Propellermaschine, setzt recht unsanft auf.

Micheline, welche 54 Jahre alt ist, empfängt uns am Ausgang mit mächtig schweren Blumenketten, sog. Couronnes, aus Pua-, Christusdorn-, Basilikum- und Tiareblüten. Ein Bekannter fährt uns gemeinsam zum Wohnhaus nach Anatonu im Norden der Insel. Die Familie selbst besitzt kein Auto, dafür aber fünf Fahrräder und zwei Motorroller. Das ist auch völlig ausreichend hier – die Insel wird von einer 20 km langen Küstenstraße aus Sand, Beton und Asphalt umgeben, zwei Traversen überqueren zwischendurch das bergige Inland. Da die Austral-Inseln in subtropischen Gebreiten liegen, ist es hier deutlich kühler als auf Tahiti. Die Tagestemperaturen liegen zwischen 20 und 25 Grad und es weht stets ein frischer Wind aus Südost. Auf Grund des reichlichen Niederschlages und der recht stabilen Temperaturen gedeiht hier dennoch eine tropische Vegetation in Küstennähe. Wir entdecken aber auch viele „Bekannte“, wie Olivenbäume, Oleander, Zinnien, Gerberas, Pinien und Kohlköpfe. Stellenweise fühlen wir uns wie auf den Kanaren oder auf Madeira. Selbst Apfel-, Pfirsich-, Maulbeer- und Nektarinenbäume sowie Weinreben wachsen auf Raivavae. Passend zur anstehenden Weihnachtszeit gibt es eine botanische Besonderheit: Auf den Motus wächst eine endemische Art des Sandelholzbaumes, welcher u. a. Verwendung als Räucherkerzenduft findet. Hierfür war Raivavae im 19. Jahrhundert in Europa bekannt.

So muss Bora Bora vor 50 Jahren gewesen sein, sagt man in Hinblick auf die Besiedlung. Zwar gibt es Strom, aber nur selten fließend Wasser. Fünf Geschäfte versorgen die Insel, allesamt sind nicht mehr als ein großes Zimmer in einem Wohnhaus. Möchte man etwas bestimmtes kaufen, was über den täglichen Bedarf hinaus geht, z. B. ein Möbelstück, muss dies in Tahiti bestellt und mit dem Frachtschiff geliefert werden – Dauer mindestens zwei Wochen.

Internet ist so gut wie nie verfügbar, am Postamt gibt es allerdings am Wochenende gratis WLAN – sowas wie das Tor zur Außenwelt, hier am gefühlten Ende der Welt: Südlich von hier kommt nur noch die Insel Rapa (nur per Schiff zu erreichen und unabhängig), bevor nach ca. 9.000km die Antarktis folgt.

Touristen sind auf Raivavae eine echte Seltenheit. Die drei Pensionen machen einen leeren Eindruck – seit Corona komme kaum mehr ein Tourist hierher, berichtet Tuarue, der Sohn unserer Gastgeberin Micheline. Er ist 21 Jahre und nach seiner landwirtschaftlichen Ausbildung auf Moorea und in Belgien hierher zurückgekehrt. Sein großer Bruder ist bei der Marine in Frankreich und daher müsse er sich mit um die Eltern, das Haus und die Tiere kümmern, berichtet er. Außerdem hat er einen guten Job in der hiesigen, staatlichen Landwirtschaftseinrichtung, welche u. a. über eine Baumschule und ein keines Sägewerk verfügt. Die lokalen Bauern wenden sich an diese Einrichtung, wenn sie Schwierigkeiten bei der Kultivierung einer Pflanze haben. Tuarue dokumentiert dies in der Folge und schreibt am Computer entsprechende Berichte. Diese werden dann, teilweise mit Pflanzenmaterial, zur Analyse und Auswertung nach Tahiti geschickt.

Hamai, der Mann von Micheline, ist 67 und war ebenfalls bei der Armee in Frankreich. Er weiß daher einiges aus Europa zu berichten und freut sich spürbar über die tägliche Unterhaltung mit uns Auswärtigen. Micheline hingegen fällt die Unterhaltung auf Französisch schwer – sie spricht hauptsächlich Tahitianisch, und davon noch die spezielle Form hier von Raivavae. In dieser Form gibt es kein R, aber dafür das G, was im Tahitianischen wiederum nicht auftaucht. In der heimischen Sprache heißt die Insel eigentlich Gaivavae (sprich: Ga-i-va-va-e). Und statt Iaorana sagt man hier Iaogana oder A ne ge. Hannes zückt Zettel und Stift und wir versuchen uns so viele Worte wie möglich einzuprägen.

Das Inselleben auf Raivavae ist recht verschlafen. Zwischen Wohnhaus und Lagune liegt lediglich die kaum befahrene Straße. Die Autos, die täglich am Haus vorbeifahren, kann man leicht zählen. Heute zum Sonntag waren es neun, sowie zwei Fahrräder und zwei Mopeds – wochentags vielleicht das Doppelte. Zum Haushalt gehören noch vier Hunde, zwei Katzen und fünf Schweine. Letztere dienen der Selbstversorgung. Micheline ist Hausfrau und bastelt nebenbei Muschelketten, Hamai ist Rentner und das Geld, was Tuarue verdient, reicht zwar zum Leben, aber nicht für mehr, berichtet er. Wenn man 60 Jahre erreicht hat, bekommt man hier 80.000 XFP, umgerechnet knapp 700 Euro, pro Monat – egal ob man gearbeitet hat oder nicht. Die Familie hat insgesamt einen sehr sparsamen Lebensstil, jeder Gegenstand wird solange verwendet, bis er wirklich richtig kaputt ist. An der Kaffeetasse von Micheline ist der Henkel abgebrochen – trotzdem nutzt sie sie noch. Ein kompletter Gegensatz zum Leben auf Tahiti. Im Haus gibt es kein fließend Wasser, der an der Quelle angeschlossene Gartenschlauch dient draußen zum Duschen und im Haus zum Spülbecken auffüllen. Die Toilette muss mittels Eimer gespült werden. Strom ist vorhanden und damit Kühlschrank, Gefriertruhe, TV und Radio ebenfalls.

Ab und zu geht Tuarue fischen. Außerdem bestellt die Familie regelmäßig Fisch auf Vorrat bei lokalen Harpunenfischern. Viele weitere Lebensmittel kommen aus dem Garten – allen voran Bananen, wovon sich ein ganzer Wald hinter dem Haus befindet. Weiterhin Papayas, Mangos, Ananas, Limetten, Litschies, Pitahayas und Avocados. Die riesigen Mangobäume haben nur noch ein paar wenige, knorrige Früchte. Gefällt werden die Bäume trotzdem nicht – Hamai berichtet, dass sie wichtig sind, weil ganz viele Vögel darin brüten, u. a. eine seltene Seeschwalbe. Und auch sonst ist das Umweltbewusstsein hier ein etwas anderes als auf Tahiti. Der Müll wird halbwegs ordentlich getrennt und auf die Erhaltung der Lagune wird geachtet. Muscheln werden im Meer an der Fundstelle und nicht an Land ausgenommen, damit die Eier wieder ins Wasser gelangen. Fische dürfen erst ab ca. 20 cm Größe gefangen werden. Außerdem hat die Kirche einen Plan aufgestellt, wo gefischt werden darf und wo für fünf Jahre Schonzeit ist. Danach wird gewechselt. Dies sei zwar nicht mit dem Rathaus abgestimmt, aber die Leute gehorchen darauf, was der Herr will, berichtet Hamai. Eine weitere Festlegung der Kirche, die vom Rathaus abgelehnt wurde, ist, dass alle Reisenden hier zunächst 14 Tage in Quarantäne sollen, bevor sie raus dürfen. Egal, was die Festlegung der Regierung hierzu ist. Unsere Familie macht diesbezüglich ein kleines Spagat: wir dürfen zwar das Haus verlassen, aber Sonntag nicht mit in die Kirche kommen.

Zehn aktive Corona-Fälle gäbe es aktuell, was bei 900 Einwohnern schon recht viel ist. An den jeweiligen Häusern ist außen gut sichtbar ein Schild angebracht: Achtung, hier Covid. Offiziell sind die Leute zuhause in Quarantäne, Tuarue berichtet jedoch, dass sich kaum jemand daran halte.

Der Ort Anatonu, in dem wir wohnen, ist einer von fünf Dörfern hier auf Raivavae. Neben dem Flughafen gibt es auf der Insel noch einen Hafen, an dem größere Schiffe anlegen können, eine Polizeistation, eine Krankenschwester, eine Tankstelle, ein paar Sportplätze und eine Grundschule. Im Anschluss an letztere müssen alle Kinder ins Internat auf die Nachbarinsel Tubuai.

Sensible Tierfreunde – bitte diesen Absatz überspringen:
Geschätzt leben auf Raivavae mindestens doppelt so viele Hunde wie Einwohner, die meisten davon frei laufend. Der Großteil scheint jedoch einen Besitzer zu haben und ist verglichen mit Tahiti in einem verhältnismäßig gutem Zustand. Ähnliches gilt für Katzen. Was es jedoch leider nicht gibt, ist ein Tierarzt, folglich auch keine kastrierten Haustiere. Auch eine Tierschutzorganisation, wie „Les 4pattes“ (Die vier Pfoten), welche auf Tahiti gratis die Kastration von Varoa’s Hündin Mila übernommen hat, existiert hier leider (noch nicht). Auf unsere Frage, was denn dann mit dem ganzen Nachwuchs passiere, gibt es die nüchterne Antwort, dass dieser kurz nach der Geburt lebendig in ein Loch geworfen wird. Beim Anblick der trächtigen Katze unserer Gastfamilie läuft mir der Schauer über den Rücken. Doch was soll man tun? Alle Tierbabys am Leben zu lassen, würde eine unkontrollierte Ausbreitung auf der Insel bedeuten, ebenfalls verbunden mit viel Tierleid, wenn der Nachwuchs dann zu herrenlosen, abgemagerten Streunern wird – so wie es z. B. mit den Katzen in unserer Erfurter Gartenanlage der Fall ist. Ob es in der Verantwortung des Staates liegt, hiergegen etwas zu unternehmen? Gleiches fragen wir uns beim Thema (Plastik-)Müll, was wir im folgenden Absatz noch aufgreifen.

Ein besonderes Kunsthandwerk von den Australs sind Schnecken- und Muschelketten. Diese werden zum Empfang und zur Verabschiedung von Verwandtschaft, vor allem zu Weihnachten, überreicht. Wenn Ketten übrig bleiben, so verkauft man diese. Auf einem der 29 Motus, die Raivavae umgeben, erfahren wir, wo der Rohstoff für dieses Handwerk herstammt: die Frauen graben hier, ähnlich wie Goldsucher, im ehemaligen Korallenriff, wo man stellenweise gehäufte Muschel- bzw. Schneckenansammlungen findet. So auch auf dem Motu Vaiamanu, was wegen den umgebenden Wasserfarben auch Motu Piscine (Schwimmbecken) genannt wird. Mit reichlich Wasser, Proviant und Zelten brechen wir zu sechst per großem Holzboot und kleinem 5-PS-Motor auf, das Motu zu erkunden und Muscheln zu schürfen. Erst auf der Bootsfahrt zum Motu wird uns klar, dass wir da wohl übernachten werden. Offenbar hat man versäumt, uns mitzuteilen, dass es erst übermorgen wieder nach Hause geht. Glücklicher Weise sind wir flexibel und kommen auch mit wenig klar. Nach der Ankunft schlagen wir die Zelte auf und die Frauen machen sich auf zum Schürfen. Wir hingegen sollen doch spazieren gehen und das herrliche Motu erkunden.

Doch leider erleben wir bei der dreistündigen Inselumrundung nicht nur Schönes: An der rauen, südlichen Pazifikküste des Motus bringt das Meer neben herrlichen Muscheln und der giftigen, aber wunderschönen Portugiesischen Galeere auch Tonnen von Plastikmüll hervor. Allen voran Getränkeflaschen, Flipflops und andere Schuhe,  Bojen und Schwimmkörper von Fischernetzen. Weiterhin Plastikgitter und -kisten, Flüssigwaschmittel- und Shampooflaschen sowie Teile von Schiffstauen. Zu finden sind auch einige Geisternetze, bei welchen es sich um verloren gegangene Fischernetze handelt. Diese sind besonders gefährlich, da sich bei ihrem Treiben durch den Ozean unzählige Meeresbewohner darin verfangen und verenden.

Uns blutet das Herz bei dem Anblick des Mülls – und es ist dabei doch nur ein millionstel Bruchteil dessen, was in den Meeren unterwegs ist. Gleichzeitig sind wir hier unmöglich in der Lage, etwas zu unternehmen. Auf Bora Bora, Moorea oder Tahiti hatten wir jeweils die Möglichkeit, den Müll einzusammeln und zu entsorgen. Hier jedoch gibt es weit und breit keine Entsorgungsmöglichkeit, erst recht nicht für diese Masse. Alle zwei- bis dreihundert Meter ließe sich ca. ein Bigbag (1m³) Müll zusammen sammeln. Allein auf diesem Motu liegen also mindestens fünf bis sechs Bigbags sichtbarer Müll, der bereits im Gebüsch und Geröll verschwundene bzw. zerbröselte Müll ist da noch nicht dabei. Wir entscheiden uns dafür, wenigstens einen Teil abzusammeln und ins höher gelegenen Gebüsch zu verfrachten, insbesondere die Geisternetze. Dass dies keine langfristige Lösung ist, ist uns dabei klar.

Doch wo kommt dieser Müll her, hier so weit abseits der nächsten größeren Inseln sowie Kontinenten? Wir finden eine recht junge Plastikflasche, auf der alleinig asiatische Schriftzeichen zu lesen sind. Die kann schon mal nicht von hier stammen. Flipflops, Wasser- und Limoflaschen hingegen mögen ihren Ursprung hier im Südpazifik haben. Vieles kommt, so unsere Schlussfolgerung aus den gefundenen Teilen, aber auch von Schiffen nicht definierbarer Nationalitäten – wie Bojen, Kunststofftaue und -kisten sowie Fischernetze.

Der Müll, der hier nicht durch die Brandung wieder ins Meer gezogen wird, wird durch das Sonnenlicht spröde. Viele Dinge zerbersten bei Berührung in tausend Teile, die sich wiederum in Mikroplastik zermahlen. So findet jeder nicht vom Strand abgesammelte Müll früher oder später wieder den Weg ins Meer, damit in die Mägen der Meerestiere und darüber wiederum in unsere. Wie bei dem zuvor geschilderten Problem mit den Haustieren suchen wir erfolglos nach Lösungen. Weltweiter Pfand auf Plastikverpackungen wäre ein Schritt – doch ist das realisierbar? Und natürlich Aufklärung über Plastikmüll, aber solange die Profitgier von Menschen und Unternehmen dem Umweltbewusstsein überwiegt, wird allein Aufklärung nicht erfolgreich sein.

Vor Ort verbrennen ist eine Lösung, welche viele Müllsammler im Pazifik betreiben. Wir testen dies am Lagerfeuer im Motu-Camp. Der dabei entstehende Gestank ist unangenehm bis ekelerregend. Der Müll ist erstmal weit weg vom Meer, dafür aber offenbar teilweise in der Atmosphäre – eine optimale Lösung ist es also auch nicht. Kann der Staat das Problem lösen? Wir finden ja, zumindest zum Teil. Im afrikanischen Land Ghana erhalten die Menschen von einer Nichtregierungsorganisation Geld für gesammelten, sortierten Plastikmüll. In Ruanda sind seit einigen Jahren Plastiktüten verboten und allein deren Besitz unter Strafe gestellt. In Vanuatu, wo wir 2017 ähnlich erschüttert von der Plastikflut waren, wurde kurz danach Einwegplastik staatlich verboten. Wir sind gespannt, was sich getan hat, wenn wir hoffentlich im Juli 2022 Vanuatu per Segelboot bereisen dürfen.

Am Abend kochen wir in stabilen Alu-Guss-Marmites (typische Töpfe hier) Reis und Kaffeewasser auf dem Feuer. Dazu gibt es Gurken-Tomaten-Salat mit Dosenfleisch. Südsee-Lagerfeuerflair. Leider ist der Wettergott uns nicht allzu gnädig und kurz nachdem wir uns in die Zelte zurückgezogen haben, regnet es. Mit kurzer Unterbrechung geht das bis zum Morgengrauen so weiter. Die in die Jahre gekommenen Zelte halten wie erwartet nicht dicht und wir kauern uns auf den trockenen Stellen zusammen. Die Muschelschürferinnen entscheiden daher am Morgen, dass wir wieder zurückfahren. Als das bestellte Boot ankommt, ist schönster Sonnenschein – aber wir fahren trotzdem zurück. Vorher gibt es noch eine Schnorchelrunde am Rand vom Riff. Fische und Korallen erscheinen gesund, unterscheiden sich jedoch sehr von Tahiti. Das Wasser ist hier merklich kühler, die Fische weniger farbenfroh und die Korallen mächtiger.

Zurück am Haus fragt uns Tuarue, ob wir bei unserer Motu-Runde auch den ganzen Müll gesehen hätten. Er ist für das Thema sensibilisiert, merken wir. Er glaubt, dass viel Müll von den chinesischen Thunfisch-Trawlern kommt, die in den umliegenden Gewässern unterwegs sind – das schlussfolgert er aus dem asiatisch beschrifteten Verpackungsmüll, den er ebenfalls gefunden hat. Tuarue berichtet weiter, dass er schon einmal gemeinsam mit mehreren jungen Männern einiges an Müll gesammelt und verbrannt habe, doch es komme immer wieder neuer Müll, sagt er. Wir ermuntern ihn dennoch, immer wieder den Müll zu sammeln, am besten wieder mit vielen anderen jungen Leuten zusammen, und seine Feststellungen publik zu machen.

Zwei absolute Highlights unseres Aufenthaltes auf Raivavae sind der Besuch des letzten verbliebenen Tikis sowie die Wanderung zum Mont Hiro. Der Tiki ist weiblich und steht im Garten eines Cousins von Micheline. Alle weiteren Tikis der Insel wurden im Laufe der Christianisierung zerstört oder nach Tahiti und Hawaii gebracht. Beim Anblick des lächenden Tikis aus Tuffstein freuen wir uns, eine solch historische Besonderheit aus der Nähe betrachten zu können und hoffen, dass die Dame noch lange erhalten bleibt. Auf dem Rückweg kaufen wir in der Baumschule auf Tuarue’s Arbeit einen kleinen Tiare-Busch für Micheline, welche wir anschließend gemeinsam im Garten pflanzen. Hier sind schon drei dieser Büsche vorhanden, doch Tiares kann man nie genug haben: Schließlich sind die Blüten Hauptbestandteil der prächtigen Blumenketten, hier Couronnes genannt, welche gern zur Begrüßung und zum Abschied überreicht werden.

Am Nachmittag geht es dann zum Mont Hiro. Wie fast überall in Französisch-Polynesien ist der Einstieg zum Wanderweg unbeschildert und beginnt auf Privatgrund. Da Tuarue bis 15:30 Uhr arbeiten muss, steigen wir erst spät zum Berg auf. Nach einem steilen Anstieg erreichen wir den Bergkamm, auf welchem wir nun weitere 1,5 km bis zum Gipfel wandern. Umgeben von der türkisblauen Lagune durchqueren wir eine herrliche Bergwelt, die uns an die Kanaren erinnert: Pinien und Farne bilden die vorherrschende Vegetation. Die für die heimische Vegetation so schädliche Miconia, von der wir auf Moorea berichteten, gibt es auf Raivavae zum Glück nicht. Eine wilde Herde Ziegen, ca. 20 Tiere, lebt hier oben am Berg vom reichhaltigen Gras und beäugt uns wachsam. Ein fast eisiger Wind zwingt uns, unsere Pullover anzuziehen. Das Gipfelpanorama auf dem mit 437m höchsten Berg von Raivavae ist herrlich – bei Sonnenuntergang bestaunen wir die Berge, die dünn besiedelte Küstenlinie, die Motus und die Lagune. Tuarue sagt voller Stolz: „Jetzt wo ihr hier auf dem Mont Hiro seid, seid ihr wirklich richtig auf Raivavae angekommen.“ Wir sagen Mauguugu – Danke! Als wir absteigen, leuchten uns der Mond sowie sein im Meer reflektiertes Licht den Weg. Und der Mond wird uns am kommenden Abend noch richtig überraschen…

Als wir am letzten Abend zur Außendusche gehen, stellt Hannes fest, dass irgendetwas mit dem heutigen Vollmond nicht stimmt: Die Erde schiebt sich gerade zwischen Sonne und Mond – eine beginnende Mondfinsternis! Anders als in Deutschland gab es keine Ankündigung zu einem solchen Himmelsereignis. Dank des wolkenlosen Himmels betrachten wir drei Stunden lang, wie der Mond immer mehr verdunkelt wird und eine rötliche Farbe bekommt. Lediglich ein schmaler Streifen bleibt von der Sonne erleuchtet. Mit zunehmender Verdunkelung des Mondes leuchten die Sterne immer heller. Was für ein Spektakel an diesem von Sternen übersäten, südpazifischen Himmel, und das an einem Ort völlig ohne Lichtverschmutzung. Ein schöner Abschluss für diese herrliche, verschlafene, natürliche, ruhige und sehr sehenswerte Insel! Nun geht es weiter auf die Nachbarinsel Tubuai. Wir müssen schmunzeln, als in der Schlange am Flughafenschalter sowohl vor als hinter uns Leute stehen, mit denen wir im Laufe der vergangenen Woche persönlich zu tun hatten. Raivavae ist eben wie ein kleines Dorf!

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